Im Kommentar-Format „Off the Record“ bieten wir unseren Mitarbeiter*innen und Volunteers den Raum ihre Erfahrungen aus Einsätzen und der Arbeit von und mit CADUS, Gedanken zu humanitärer Hilfe, Politik und Gesellschaft zu teilen. Dabei müssen die Äußerungen nicht zwingend die Meinung der Organisation CADUS wiedergeben.

Die Klimakatastrophe als größte Herausforderung für die humanitäre Hilfe

Welchen Einfluss hat die Klimakatastrophe auf humanitäre Hilfe? Worauf können und müssen sich humanitäre Akteure einstellen und wie müssen sie sich anpassen, um den Folgen der Klimakatastrophe zu begegnen?

Wenn wir an die Zukunft der humanitären Hilfe denken, müssen wir die Klimakatastrophe mit einbeziehen. Die Klimakatastrophe ist keine Krise und kein Wandel. Sie ist eine Katastrophe, die alle anderen Themen überlagert, verschärft und miteinander verknüpft. Im Laufe der letzten Jahre haben Naturkatastrophen wie Dürren, Überflutungen und weitere Extremwetterlagen massiv zugenommen. Auch die lang anhaltende Trockenheit im Frühjahr dieses Jahres sowie die anschließende lange Regenzeit (teilweise begleitet von starken Windböen) sind für unsere Breiten sehr ungewöhnlich und lassen sich daher als Extremwetterlage bezeichnen. Für uns bedeutete das einen schlechten Sommer. Für andere Menschen bedeutet diese Entwicklung die Zerstörung ihrer Lebensgrundlage bis hin zur Vertreibung aus ihrer Heimat.

Die Zahlen sprechen für sich: Über 90 % aller Katastrophen der letzten zwanzig Jahre waren klima- oder wetterbedingt. Damit ist die Klimakatastrophe auch im Bereich der humanitären Hilfe längst kein Nebenschauplatz mehr. Vielmehr ist sie der Grund für die stetig wachsende Zahl humanitärer Einsätze. Bereits bestehende Konflikte werden durch die Klimakatastrophe verschärft, geopolitische Gleichgewichte verschoben und Regionen, die schon heute fragil sind, weiterhin destabilisiert.

Klimaflucht als Realität

Wir wissen längst, dass Menschen nicht nur vor Bomben und unterdrückenden Systemen fliehen. Auch steigende Temperaturen, die zur Desertifikation von Gebieten führen, unberechenbare Niederschläge, die durch Überflutungen ganze Landstriche unbewohnbar machen sowie Ernteausfälle, die die Lebensgrundlage von Menschen zerstören, führen zur Vertreibung von Menschen aus verschiedenen Regionen der Erde. Die Vorstellung, Klimaflucht sei ein Zukunftsszenario, ist naiv und privilegiert. Es  ist längst Realität, dass Menschen vor dem Klima fliehen und diese Entwicklung wird sich in den kommenden Jahren drastisch zuspitzen.

Wasser, Nahrung, Lebensgrundlagen

Eine der größten Herausforderungen, die auf die humanitäre Hilfe zukommt, ist die Verknappung von Trinkwasser. Schon heute haben Millionen von Menschen keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser. Durch steigende Temperaturen wird die Ressource Wasser weiterhin verknappt. Auch in Deutschland müssen wir in trockenen Jahren bereits unseren Wasserverbrauch kontrollieren, sodass Menschen angehalten werden, ihre Pflanzen nur abends zu bewässern und Landwirt*innen vor Herausforderungen gestellt werden. In vielen Regionen der Erde wird es künftig schlicht nicht mehr möglich sein, Landwirtschaft im bisherigen Maßstab zu betreiben. (Eine Möglichkeit, große Mengen von Wasser einzusparen, wäre die Orientierung zu einer pflanzlichen Ernährung.) Wenn Wasser knapp ist, Ernten ausfallen, und Vieh verendet, werden Menschen in humanitäre Notlagen gebracht und die Abhängigkeit von Wasser- sowie Nahrungsmittelhilfe nimmt zu. Gleichzeitig wächst das Risiko, dass Hunger und Wasser als politische Waffen instrumentalisiert werden..

Was bedeutet das konkret für die humanitäre Hilfe?

Organisationen, die im Bereich der humanitären Hilfe tätig sind, müssen sich darauf einstellen, dass sie in Zukunft häufiger, schneller und an verschiedenen Orten gleichzeitig gebraucht werden. Die Klimakatastrophe wirkt dabei wie ein Katalysator. Das stellt den generellen Ansatz der humanitären Helfer*innen radikal in Frage: Wie planen wir, wenn das Unplanbare zur Regel wird? Wie versorgen wir uns und die Betroffenen, wenn globale Lieferketten durch Extremwetter immer wieder reißen? Wie halten wir Strukturen aufrecht, wenn die Zahl der parallelen Notlagen permanent zunimmt? Wie priorisieren wir die verschiedenen humanitären Einsätze? Wer wird unterstützt und wer fällt hinten runter?

Handlungsmöglichkeiten und Verantwortung

Natürlich können wir als humanitäre Akteur*innen nicht die Klimakatastrophe lösen, aber wir können unsere Arbeit anpassen und uns auf die Klimakatastrophe einstellen. Diese drei Punkte sind dabei zentral:

  1. Prävention und Resilienz: Humanitäre Hilfe darf nicht erst ansetzen, wenn Katastrophen bereits eingetreten sind. Es braucht Ansätze, die Gemeinden befähigen, widerstandsfähiger zu werden. Hier könnten beispielsweise lokale Frühwarnsysteme, klimaangepasste Landwirtschaft und solidarische Strukturen hilfreich sein.
  2. Politisches Handeln: Humanitäre Organisationen müssen sich politisch aktiv für den Klimaschutz einsetzen. Wer humanitäre Arbeit ernst nimmt, muss Druck auf Regierungen und Konzerne ausüben, endlich entschlossen Klimaschutz zu betreiben. Es reicht nicht, die Symptome zu behandeln, während die Ursachen ignoriert werden.
  3. Strukturelle Veränderungen in der humanitären Hilfe selbst: Humanitäre Einsätze verursachen CO₂, verbrauchen Ressourcen und reproduzieren Abhängigkeiten. Natürlich lässt sich dies nicht komplett vermeiden, aber es ist immer möglich, die eigenen Praktiken zu hinterfragen und zu verändern, sodass in allen Bereichen der humanitären Hilfe (von Logistik bis Energieversorgung) möglichst klimaneutral agiert wird.

Klimakatastrophe als Krisenverstärker

Die Klimakatastrophe ist die größte Herausforderung für die humanitäre Hilfe, weil sie nicht nur neue Katastrophen erzeugt, sondern jede andere Krise zusätzlich verstärkt. Sie macht Fluchtbewegungen größer, Konflikte härter und Notlagen komplexer. Humanitäre Hilfe wird durch die Klimakatastrophe notwendiger und gleichzeitig herausfordernder. Wir als humanitäre Organisation stehen vor der Aufgabe, uns neu zu erfinden: Wie werden wir pragmatischer, politischer, solidarischer? Am Ende geht es nicht nur um Hilfe im Katastrophenfall. Es geht um die Frage, wie wir als globale Gesellschaft mit der Klimakatastrophe umgehen. Wenn wir Humanität ernst meinen, dann dürfen wir nicht länger so tun, als könnten wir die humanitäre Arbeit von der Klimakatastrophe trennen.

Über die Autorin:

Ronja ist studierte Physikerin und Umweltwissenschaftlerin. Nachdem sie mehrere Jahre im Bereich des Klimaschutzes tätig war, hat sie vor 1,5 Jahren den Weg in die Humanitäre Hilfe und zu CADUS gefunden. Hier arbeitet sie als Country Managerin und ist für die Ukraine zuständig.

by Ronja Heinemann

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