Mobile Hospital – Von der Idee bis zum Einsatz
Das Projekt Mobile Hospital ist unser bisher Größtes. Zweieinhalb Jahre sind seit der ersten Idee vergangen. In Do it yourself-Manier haben wir ein mobiles Krankenhaus auf Allrad-LKWs gebaut. Dabei haben wir unglaublich viel Unterstützung aus allen Ecken bekommen. Wir sind aber auch auf viele Widerstände gestoßen.
Im Januar 2018 erreichen wir endlich unser Ziel in Syrien. Zeit, nochmal zurückzuschauen.
Die Situation in Rojava
Straßen und Gebäude sind zerstört, Wohn- und Krankenhäuser dem Erdboden gleichgemacht. Viele Menschen sind gestorben oder geflohen, es wird immer noch gekämpft. Die medizinische Versorgung liegt am Boden. Freiwillige ohne Fachwissen übernehmen die Versorgung von Patient*innen, die Sterblichkeit ist hoch. Vor allem unter den Kriegsverletzten.
So sah es für unsere Teams Anfang 2015 in Rojava aus. Unsere medizinischen Ausbildungsmissionen waren in vollem Gange. Aber die beste Ausbildung nützt nichts, wenn es an Geräten, Material und den richtigen Räumen fehlt. Zudem haben Menschen in abgelegenen Gegenden keine Möglichkeit, eine Krankenstation zu erreichen.
Das in großen Teilen zerstörte Kobane 2015. Trotzdem leben dort noch Menschen. Foto: Christoph Löffler
In Nordsyrien haben wir Freiwillige medizinisch ausgebildet um wieder ein funktionierendes Rettungswesen aufzubauen. Foto: Christoph Löffler
So entstand vor knapp drei Jahren unsere Idee, ein mobiles Krankenhaus zu bauen. Flexibel musste es sein und geländegängig. Es sollte so lange wie möglich ohne Nachschub auskommen, den Anforderungen eines Krankenhauses entsprechen und dabei möglichst kostengünstig sein. Nächtelang haben wir am Konzept gearbeitet: Was soll das Krankenhaus können? Wie können wir die Anforderungen technisch umsetzen – wie läuft die Wasser- und Stromversorgung? Wie bringen wir Patient*innen und Personal unter?
Die ersten Schritte
Der erste Schritt war, die Finanzierung hinzukriegen. Das ging nur mit eurer Hilfe! Deshalb haben wir im Spätsommer 2015 mit einem Crowdfunding begonnen – und kurze Zeit darauf erfolgreich beendet. Gleichzeitig haben wir uns um Finanzierung bei Stiftungen, dem Auswärtigen Amt und humanitären Fonds gekümmert. Bis nach Finnland sind wir gereist, in der Hoffnung auf Unterstützung für unser Vorhaben. Allerdings vergeblich. Der politische Wille, die sich selbst verwaltenden Menschen in Nordsyrien zu unterstützen fehlte. Und überall trafen wir auf Bedenken, sich in einer unübersichtlichen Lage zu positionieren.
Breite Unterstützung haben wir dagegen aus der Zivilgesellschaft bekommen. Wir waren viel unterwegs, haben Vorträge gegeben und um Partner geworben. Viele Vereine, Initiativen und Privatpersonen haben uns unterstützt. Häufig vollkommen fremde Personen, die Zeit und Geld investierten, um unser Projekt nach vorne zu bringen. MV für Kobane hat uns dabei besonders unterstützt und eine eigene Spendenkampagne für uns in Mecklenburg-Vorpommern auf die Beine gestellt. Mit den Erlösen konnten wir im November 2015 bereits einen Magirus Deutz vom THW (Technisches Hilfswerk) als erstes Fahrzeug für unser mobiles Krankenhaus kaufen. Diese LKW sind robust, der Ersatzteilmarkt ist groß und die meisten Reparaturen kann man selbst machen. Das ideale Fahrzeug für unsere Zwecke also.
Unser erster LKW für das mobile Krankenhaus. Ein noch ungeschliffener Diamant. Foto: CADUS
Aus alt mach neu
Wir haben dann mit der Hilfe vieler Freiwilliger im Winter in einer zugigen Halle mit den Umbauarbeiten begonnen: Koffer abnehmen, ausräumen, schleifen, schweißen, lackieren.
Einen ehemaligen Feuerwehrrüstwagen konnten wir aus der Spendensammlung von MV für Kobane kaufen. Komplettiert wurde das mobile Krankenhaus durch einen ausgesonderten Bundeswehr-Anhänger und später einen Geländewagen, als Flucht- und Besorgungsfahrzeug. Nach hunderten von Arbeitsstunden waren die Fahrzeuge zum Jahreswechsel 2016/17 repariert, getüvt, angemeldet und abfahrbereit.
In stundenlanger Handarbeit werden die Fahrzeuge aufbereitet. Fotos: CADUS
Parallel zu den Umbauarbeiten haben wir Equipment aller Art ausgesucht und besorgt. Von Werkzeug wie Spaten und Schraubenzieher, über Generatoren, medizinischem Material bis hin zu Feldbetten war alles dabei. Ein großes aufblasbares Zelt, vorgesehen als OP, wurde ergänzt durch gespendete Zelte als Behandlungsräume und Unterkünfte für Patient*innen und Personal.
Am 21.01.17 morgens fand dann der erste Probeaufbau im verschneiten Berlin statt. Das ganze Team hatte sich versammelt um das mobile Krankenhaus, an dem so lange geplant und gewerkelt wurde. Endlich konnten wir aufbauen und die Früchte der harten Arbeit ernten. Am Abend waren alle zufrieden: Wir hatten allen widrigen Umständen zum Trotz und mit viel Hilfe engagierter Leute etwas Großartiges auf die Beine gestellt.
Der Probeaufbau war für uns ein voller Erfolg. Endlich die Früchte unserer harten Arbeit ernten! Fotos: CADUS
Diesen Erfolg wollten wir der Öffentlichkeit natürlich nicht vorenthalten. Am 26. Januar luden wir zur offiziellen Vorstellung und Taufe des mobilen Krankenhauses ein. Sogar Bela B. beehrte uns mit einem Überraschungsbesuch. Die Presse berichtete von unserem Vorhaben und wir intensivierten unsere Vorbereitungen für die Reise nach Syrien.
Bela B. gibt sich die Ehre auf unserer Pressekonferenz. Foto: Mareike Günsche
Gibt es auch nicht alle Tage – ein mobiles Krankenhaus wird getauft. Foto: Mareike Günsche
Der beschwerliche Weg
Keine leichte Aufgabe. Die politische Lage spitzte sich immer mehr zu. Der ohnehin schwierige Grenzübertritt wurde nahezu unmöglich. Außerdem mussten die Fahrzeuge erstmal ankommen.
Mehrere Möglichkeiten waren im Gespräch.
Erste Option: eine Route quer durch Osteuropa, über das Schwarze Meer, Armenien, den Iran, Nordirak und von dort aus nach Syrien. Über die Berge im Winter – das ist keine leichte Strecke. Das bedeutet eine knapp 6000 km lange Fahrt, die Crew und Fahrzeuge belastet. Dazu kämen noch die hohen Grenzübertrittsgebühren für den Iran. Keine guten Aussichten.
Nächste Option: der Weg über die Türkei. Angesichts des Krieges von Ankara gegen die eigene kurdische Bevölkerung im Osten, den Anfeindungen und komplettem Embargo gegen Rojava war für uns klar, dass unser humanitärer Transport keine Chance hätte, sein Ziel zu erreichen.
Unser mobiles Krankenhaus, abfahrbereit verpackt. Und schon kurz danach auf dem Weg in den Irak. Fotos: CADUS
Schließlich fanden wir eine Lösung: wir verladen unser mobiles Krankenhaus auf noch größere LKWs und lassen sie als Ladung über die Türkei in den Irak transportieren. Mit einem offiziellen Anforderungsschreiben aus dem Irak gilt der Transport nämlich als Warenlieferung und darf nicht ohne Grund aufgehalten werden. Anfang März 2017 war es soweit, der Termin für die Verladung stand fest, nun musste nur noch der Zoll unsere Ladung abnehmen. Leider steht beim deutschen Zoll noch die Mauer und unsere Werkstatt leider auf der falschen Spreeseite (Achtung, Ironie!), so dass die Behörde uns die LKWs nicht abnehmen konnte. Der Abfahrtstermin der Trucks Richtung Irak verschob sich also nochmal um eine Woche.
Verzögerungen im Betriebsablauf
Die Ankunft zog sich dann doch über mehrere Wochen in die Länge. Unsere LKWs wurden an der irakischen Grenze aufgehalten, es gab Probleme mit den Einfuhrdokumenten. Währenddessen wurden am 15. März Teammitglieder von CADUS in der Türkei am Flughafen aufgehalten und verhört. Handys wurden konfisziert und ausgewertet, Anrufe waren verboten. Nach 16 Stunden Wartezeit und Befragung wurden unsere Leute abgeschoben. „Gefährdung der öffentlichen Sicherheit“ lautete der offiziell Grund. Wie vier Personen im Auftrag einer humanitären Organisation die Sicherheit gefährden sollen, bleibt das Geheimnis der türkischen Behörden.
Wir waren froh, dass es unseren Leuten gut ging und fühlten uns in unserer Entscheidung bestätigt, nicht selber mit unserem mobilen Krankenhaus durch die Türkei gefahren zu sein.
Ankunft im Irak
Mitte April erreichten uns endlich gute Nachrichten von der Grenze: die Trucks können weiterfahren. Wundersamerweise war der Diesel aus den Tanks verschwunden (aber bitte-geschenkt). Mit Hochdruck arbeiteten wir an einer Möglichkeit, die syrische Grenze überqueren zu können und das Krankenhaus in den Einsatz zu schicken. Wir waren heiß darauf, endlich mit dem Mobile Hospital zu arbeiten, den Menschen zu helfen und weiter medizinisches Personal ausbilden zu können.
In Erbil, Irak haben wir die Fahrzeuge und das Material nochmal gesichtet und das mobile Krankenhaus auf seinen ersten Einsatz vorbereitet. Fotos: CADUS
Leider gab es immer noch keinen legalen Weg für den Grenzübergang. Die politische Lage zwischen irakischen und syrischen Kurden hatte sich verschärft.
Gleichzeitig führte der irakische Zentralstaat mithilfe der Peshmerga und der Koalition unter Führung der USA einen erbitterten Krieg gegen den sogenannten Islamischen Staat. Und wie immer litt die Zivilbevölkerung am meisten unter den Kämpfen und wurde zwischen den Fronten zerrieben. Medizinische Hilfe – Fehlanzeige. Angesichts dessen – und auf Bitten der WHO – disponierten wir um und planten einen ersten Einsatz im Irak. Wir hatten das Material und Personal um Hilfe zu leisten. Abzulehnen wäre unethisch gewesen.
Unser Einsatz in Mossul – unser schwierigster bisher. Foto: CADUS
Teile unseres mobilen Krankenhauses im Einsatz in Hawija. Foto: CADUS
Allerdings kommt bei den folgenden Stationen, Mossul, Tal-Afar, Hawija und Anbar, nie das gesamte mobile Krankenhaus zum Einsatz. In unseren TSPs (Trauma Stabilization Points) nutzen wir nur einen kleinen Teil der Ausstattung, zur Notversorgung von schwerverletzten Patient*innen. Die Einsätze sind anstrengend, viele furchtbare Situationen begegnen uns, aber letztlich konnten wir bis heute hunderte Menschen retten. Wir haben uns unter diesen schwierigen Umständen bewiesen.
Rojava wir kommen!
Parallel dazu suchten wir ständig nach Möglichkeiten, das mobile Krankenhaus endlich nach Nordsyrien zu bringen. Und schlussendlich ist es jetzt bald soweit. Nach dem Ende der intensiven Kämpfe im Irak sieht es so aus, als könnten wir im Januar 2018 die LKW an Heyva Sor a Kurd übergeben. Nach zweieinhalb Jahren, von der Idee über die Planung und Umsetzung bis hin zu den ersten Einsätzen in der Region kann unser mobiles Krankenhaus endlich an seinen Bestimmungsort reisen und dort den Menschen die nötige medizinische Versorgung zukommen lassen.
Auch wenn wir mittlerweile immer mit Verzögerungen und Planänderungen aller Art rechnen, setzen wir alles daran, den Termin zu halten. Wir sind jetzt schon sehr stolz auf unser mobiles Krankenhaus und unsere Crews und bedanken uns bei allen Vereinen, Organisationen sowie Helfer- und Spender*innen, die das Projekt ermöglicht haben.
UPDATE 12.02.18: Fast haben wir uns das beim Schreiben dieser Zeilen schon gedacht: die Übergabe haben wir noch nicht geschafft. Wir sind mal wieder abhängig von der VISA-Beschaffung. Eigentlich sollten diese schon längst da sein, aber wie (fast) immer kommt es zu Verzögerungen. Wieso einfach, wenn es auch schwierig geht. Aber wir bleiben dran und informieren dich!
Gleichzeitig arbeiten wir schon an einem Mobile Hospital 2.0. Diesesmal verbaut in Frachtcontainern. Wir sind schon fleißig am planen und vor einigen Tagen haben wir den Container bekommen. Es geht also weiter mit unseren Projekten!
Den Container in die Werkstatt zu bekommen war ein kleiner Akt, aber jetzt kann es wieder richtig losgehen. Fotos: CADUS
Wir halten dich auf dem Laufenden, sowohl was das mobile Krankenhaus im Einsatz betrifft, als auch zu unserem Mobile Hospital 2.0.
Bis dahin wünschen wir einen guten Jahresanfang!
Dein CADUS-Team
Veröffentlicht:
Verfasser*in: von Jonas Grünwald