
Eine unserer Ambulanzen im Einsatz bei der Evakuierung von Verletzten in Serekanyie am 20. Oktober 2019.
Das Schweigen der Öffentlichkeit
12 Tage ist es jetzt her, dass eine unserer Ambulanzen in Nordostsyrien beschossen wurde, dabei Fahrer und Medic schwer verletzt wurden und das Fahrzeug stark beschädigt. Einen Tag später, mm Sonntag, sind wir mit unserer Pressemitteilung darüber rausgegangen. Das Echo dazu ist, gelinde gesagt, verhalten. Der Guardian berichtete darüber, in einem Spiegel Online-Artikel wurde der Vorfall erwähnt. Aber ein größeres Interesse blieb aus, auch dass wir anbieten konnten, einen direkten Interviewkontakt zu den Betroffenen herzustellen änderte daran nichts.
Tatsächlich ist es so, dass sich mehr UN-Organisationen und Agenturen aus dem humanitären Bereich bei uns gemeldet haben, als Pressevertreter*innen.
Einiges daran macht uns nachdenklich.
Grenzen humanitärer Berichterstattung
Zum einen ist das natürlich die Fragestellung, wie wir als humanitäre Organisation Informationen aufbereiten müssen, damit sie überhaupt wahrgenommen werden. Und wie weit wir dabei überhaupt gehen können und wollen. Eigentlich ist es nicht unsere Aufgabe, Medien mit Informationen zu versorgen.
Die humanitären Grundsätze, denen wir uns verpflichtet haben, gebieten uns neutral und universal zu agieren. Das heißt, Informationen von unserer Seite dürfen nicht „gefärbt“, nicht einseitig, nicht politisierend in eine bestimmte Richtung sein. Andererseits sind und arbeiten wir dort, wo nicht viele andere mehr arbeiten, und damit ist es auch Teil unserer Pflicht, über Menschenrechtsverletzungen zu berichten, Brüche des Völkerrechts und des International Humanitarian Laws transparent zu machen und die Einhaltung dieser Regelungen einzufordern. Dass wir dabei „mehr tun“ müssen, als nur die Informationen zur Verfügung stellen, mithin richtig „Medienarbeit“ machen müssen, damit sich überhaupt jemand interessiert, kann und sollte eigentlich nicht unsere Aufgabe sein.
Der normalisierte Bruch
Zum anderen, und das wiegt für uns viel schwerer, macht uns die Normalität nachdenklich, die mittlerweile mit Angriffen auf humanitäre Helfer*innen einhergeht. Die Normalität, mit der Staaten und staatliche Akteure geltendes Recht brechen können, grundlegende Human Rights und Humanitarian Rights missachten können, ohne dass es zu nennenswerten Reaktionen führt. Schlimmer noch, wenn auf dem Mittelmeer Organisationen wie Sea Watch an ihrer humanitären Arbeit aktiv gehindert werden, gibt es von Teilen der Bevölkerung sogar noch widerwärtigen Beifall.
Für uns stellt sich das oftmals alles so unfassbar zynisch dar. Während Heiko Maas davon spricht, dass in Nordostsyrien Waffenruhe herrschen würde, werden unsere Kollegen vor Ort schwer verletzt … und es ist gut möglich, dass die Waffen, mit denen sie beschossen wurden, aus deutscher Produktion sind. Und während die Fehlinformation über die angebliche Waffenruhe Heiko Maas die Möglichkeit gibt, eine Weiterführung der Waffenexporte an den Großkunden Türkei zu legitimieren, stoppt Europa an seinen Außengrenzen mit aller Macht die Menschen, die vor diesen Kampfhandlungen fliehen.
Was bleibt? Weitermachen!
Wir haben in den letzten Tagen von mehreren Menschen die Frage gehört, was wir denn jetzt noch gedenken zu tun in dem Fall der beschossenen Ambulanz und der verletzten Kollegen. Unsere Antwort klingt da vielleicht langweilig, unangemessen, zu wenig aktionistisch. Aber wir werden einfach weitermachen, wie bisher. Einfach weitermachen, weil es unsere Arbeit vor Ort grade braucht. Einfach weitermachen, weil wir die Informationen an die Presse weitergegeben haben, und ein Interesse der Presse nicht erzwingen können … und den Fortlauf unserer Arbeit auch nicht daran koppeln. Einfach weitermachen, weil wir auf „offiziellem“ Weg alle Möglichkeiten ausschöpfen bei staatlichen, internationalen und nicht-staatlichen Organisationen und auch weiterhin ausschöpfen werden.
Wir verstehen, dass Menschen es unverständlich finden, dass wir so schnell zu einer „Normalität“ zurückkehren. Aber dabei möchten wir gerne daran erinnern, dass für uns der Bruch humanitären Rechts und die Missachtung von Menschenrechten leider einfach alltägliche Normalität SIND. Die Situation für humanitär Helfende in Krisen- und Kriegsgebieten hat sich verändert und verändert sich weiter, und das nicht zum Guten. Aber leider heißt das ja auch, dass die Situation für die Betroffenen vor Ort meist noch um ein vielfaches schlimmer ist.
Deswegen bedeutet das für uns, weitermachen, weiter unterstützen, weiter informieren, auch wenn es niemand hören möchte. Und weiterhin darauf hoffen, dass ihr uns wie bisher dabei unterstützt, dass wir unsere Arbeit fortsetzen können.
Veröffentlicht:
Verfasser*in: von Cadus PR
by CadusPR
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